Der „Betrug“ mit der Barrierefreiheit – verborgen hinter § 3 Abs. 3 BFSG

1. Gesetzlicher Rahmen
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt in Deutschland die EU-Richtlinie 2019/882 um und regelt seit dem 28. Juni 2025 die Pflicht zur digitalen Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen de.wikipedia.org. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Angeboten zu ermöglichen.

2. Die versteckte Ausnahmeregelung in § 3 Abs. 3 BFSG
In § 3 Abs. 3 Satz 1 BFSG wird jedoch eine zentrale Ausnahme definiert:

„Kleinstunternehmen im Sinne von § 2 Nr. 17 sind… Unternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte aufweisen und einen maximalen Jahresumsatz von 2 Millionen Euro bzw. eine Jahresbilanzsumme von 2 Millionen Euro nicht überschreiten.“ bfsg-gesetz.dedatenschutz-generator.de

Das bedeutet konkret, dass Solo-Selbstständige, Freiberufler und Kleinstbetriebe mit unter 10 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz oder einer Bilanzsumme von höchstens 2 Mio. € von der Pflicht zur Bereitstellung barrierefreier digitaler Dienstleistungen ausgenommen sind.

3. Praxis: Wie Anbieter den Haken verschweigen
Viele Agenturen und Dienstleister werben mittlerweile flächendeckend mit Full-Service-Lösungen für digitale Barrierefreiheit – oft ohne klar darauf hinzuweisen, dass Kleinstunternehmen rechtlich gar nicht betroffen sind ihk-muenchen.de.

  • Auf Websites findet man meist umfangreiche Leistungsbeschreibungen, Preis-über­sichten und Zertifizierungsangebote, jedoch selten einen Hinweis auf die Schwellenwerte von 10 Mitarbeitenden und 2 Mio. € Umsatz.

  • In Verkaufsgesprächen wird die Pflicht zur Barrierefreiheit als universelle Anforderung dargestellt, um Druck aufzubauen und kleinere Betriebe zum Abschluss zu bewegen.

4. Folgen für kleine Unternehmen

  • Überschüssige Kosten: Unternehmen zahlen oft mehrere Tausend Euro für Prüfungen, Anpassungen und Wartungsverträge, obwohl sie rein rechtlich befreit sind.

  • Wettbewerbsnachteile: Die zusätzlichen Ausgaben verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Mitbewerbern, die ihre Befreiung kennen.

  • Mangelndes Vertrauen: Fehlt die Transparenz, wächst das Misstrauen gegenüber Barrierefreiheits-Dienstleistern und auch gegenüber den gesetzlichen Vorgaben selbst.

5. Handlungsempfehlungen

  1. Gesetzestext aufmerksam studieren: Unternehmer sollten § 3 Abs. 3 BFSG genau lesen, um ihre Rechtslage zu verstehen. Der vollständige Text ist auf „Gesetze im Internet“ abrufbar.

  2. Ausnahmen dokumentieren: Kleinstunternehmen können ihren Status regelmäßig (z. B. im Impressum) kommunizieren, um Missverständnissen vorzubeugen.

  3. Transparente Dienstleister wählen: Angebote vergleichen und explizit nach Schwellenwerten und Ausnahmen fragen.

6. Fazit
Der „Betrug“ mit der Barrierefreiheit besteht weniger in der gesetzlichen Regelung als in fehlender Transparenz der Anbieter. § 3 Abs. 3 BFSG verbirgt die Mikro-Unternehmer-Ausnahme klar im Gesetzestext, wird aber in der Praxis häufig verschleiert – was zu unnötigen Kosten und Verunsicherung führt. Eine bewusste Auseinandersetzung mit den Bestimmungen schafft Rechtssicherheit und schützt vor überflüssigen Ausgaben.

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